Das Erbschaftsrecht in Spanien
Die Erbschaft einer Immobilie wirft viele Fragen und Unsicherheiten auf. Noch dazu, wenn sich das Objekt im Ausland befindet. In Sachen Erbrechtverordnung, die von der EU im Jahre 2012 zur Vereinfachung von grenzüberschreitenden Erbfällen erlassen wurde, kennt sich Meike Jessen von der Kanzlei Jaime Lamas, ansässig in Palma de Mallorca, aus. Frau Jessen hat exklusiv für Sie das Thema zusammengefasst:
Ein Erbfall, dies ist die Übertragung des Nachlasses, deren Rechte und Pflichten, des Erblassers zugunsten des/der Erben, kann zu Abwicklungsproblemen bei der Erbschaftsannahme führen, wenn ein grenzüberschreitender Erbfall (wenn der Erblasser nicht in seinem Herkunftsland lebt, der Erblasser und die Erben nicht im gleichen Land leben und/oder der Erblasser Vermögenswerte in mehreren Ländern besitzt) eintritt. Für viele deutsche Staatsbürger, die in Spanien Rechte und Pflichten, vor allem Immobilien, besitzen, stellt sich oft die Frage, wie eine Erbschaft für die im Ausland, in diesem Falle für die in Spanien, hinterlassenen Rechte und Pflichten, abgewickelt wird.
Um die grenzüberschreitenden Erbfälle zu vereinfachen, hat die EU im Jahre 2012 die Erbrechtsverordnung Nr. 659/2012 (mit Inkrafttreten am 17. August 2015) erlassen. Wichtigster Aspekt dieser Verordnung ist, dass festgelegt wird, welches innerstaatliche Recht bei einem Erbfall Anwendung findet; sie gibt an, dass das Recht desjenigen Landes Anwendung findet, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ (Wohnsitz) hat. Das bedeutet beispielsweise, dass die Erbschaft eines deutschen Staatsbürgers, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, sich nach dem deutschen Recht richtet. Wenn dieser jedoch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien haben sollte, findet das spanische Recht Anwendung. Jedoch wird in der angegebenen Verordnung auch festgelegt, dass nicht das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern das Recht des Landes der Staatsangehörigkeit Anwendung findet, wenn eine Rechtswahl in einem Testament oder einem gesonderten öffentlichen Dokument festgelegt wird, wobei nur ein Recht auf den gesamten Nachlass Anwendung finden darf.
Auch wird durch die angegebene Verordnung das Europäische Nachlasszeugnis eingeführt; ein Dokument, welches durch die Erben (ebenso Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter) beantragt werden kann, um in einem anderen EU-Staat ihre Rechtstellung nachzuweisen.
Bis zum Inkrafttreten der angegebenen EU-Verordnung musste für die Erbschaftsannahme in Spanien ein durch die entsprechende Behörde ausgestellter Erbschein oder veröffentlichtes Testament (sei es ein in Deutschland oder in Spanien protokolliertes) vorgelegt werden; Dokumente, die auch heute noch für eine Erbschaftsannahme in Spanien ausreichend sind, da diese Dokumente auch in dem Mitgliedstaat, in dem sie verwendet werden sollen, die gleiche Wirkung wie in dem Mitgliedsstaat, in dem diese ausgestellt werden, haben.
Nicht durch die Verordnung jedoch werden die materiell rechtlichen Aspekte eines grenzüberschreitenden Erbfalles geregelt. Diese unterliegen weiterhin dem innerstaatlichen Recht der jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten.
So muss betreffend der Abwicklung der Erbschaftsannahme in Spanien durch alle Erben eine notarielle Erbschaftsannahmeurkunde bei einem in Spanien ansässigen Notar unterzeichnet werden. Diesem müssen zur Protokollierung zwingend die Todesurkunde, die Auszüge aus dem spanischen Zentraltestament – und Lebensversicherungsregister und der dokumentarische Nachweis der Rechtsstellung der Erben (in Deutschland ausgestellter Erbschein, veröffentlichtes [deutsches oder spanisches] Testament oder Europäisches Nachlasszeugnis) überreicht werden.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Berechnung der zu zahlenden Erbschaftssteuer in Spanien; Thema großen Missverständnisses. Generelle Anwendung im gesamten spanischen Staatsgebiet findet das Gesetz 29/1987 vom 18. Dezember (Erbschaft – und Schenkungssteuer Gesetz), in dem auch die Festsetzung der anzuwendenden Steuersätze und Bemessungsgrundlagen der Erbschaftssteuer geregelt wird. Aufgrund Organgesetz 8/1980 vom 22. September über die Finanzierung der Autonomen Regierungen wird die Abtretung der Erbschaftssteuer (und der Schenkungssteuer) seitens des spanischen Staates an die verschiedenen Autonomen Regierungen in Spanien, welche auch die Modifizierung der anzuwendenden Steuersätze und Bemessungsgrundlagen zulässt, geregelt. Dieses hatte eine unterschiedliche Berechnung bei der Erbschaftssteuer für die in den jeweiligen Autonomen Regierungen Ansässigen und Nicht-Ansässigen, da Letztere weiterhin bei der Berechnung der Erbschaftssteuer dem Gesetz 29/1987 unterlagen, zur Folge. Eine Berechnung, die sehr viel unvorteilhafter ausfiel. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 3. September 2014 wurde jedoch entschieden, dass die Besteuerung der Erbschaften in Spanien nicht konform mit dem Europäischen Recht war; so schaffte es die existierende Diskriminierung zwischen Ansässigen und Nicht-Ansässigen in den jeweiligen Autonomen Regierungen ab. Das angegebene Urteil entschied, dass die Nicht-Ansässigen mit den gleichen Steuersätzen wie die Ansässigen bei der Erbschaftssteuer (und Schenkungssteuer) in den jeweiligen Autonomen Regierungen zu besteuern sind. Da aber fast jede Autonome Regierung in Spanien von ihren Befugnissen, die jeweiligen anzuwendenden Steuersätze und Bemessungsgrundlagen zu modifizieren, Gebrauch gemacht hat, ergeben sich 17 verschiedene Besteuerungssysteme bei der Erbschaftssteuer, deren Vereinheitlichung zweifellos eine Herausforderung für die spanischen Institutionen ist.